Chaos, Köter, Krisenmodus


Das erste Jahr mit Joker


Frühling, Sommer, Herbst & Winter 2020


Ein Jahr mit Joker – zwischen Durchdrehen und Durchatmen

 

Das erste Jahr war vermutlich das härteste.
365 Tage voller erster Male.
Voller Zweifel, Lachen, Tränen, Fortschritte – und ganz viel Lernen.
Vor allem für uns.

 

Als Joker zu uns kam, war er kein unbeschriebenes Blatt.
Er brachte Erfahrungen mit – gute wie schlechte – und einen Rucksack voller Unsicherheiten.
Wir waren voller Liebe, aber auch voller Ahnungslosigkeit.

 

Die ersten Wochen waren der blanke Wahnsinn. 

Er fraß kaum, bellte ständig, zog an der Leine, konnte nicht alleine bleiben – und wir? Wir stolperten hilflos hinterher. Nach ca. 3 Wochen saß ich, fertig mit den Nerven, auf dem Bett und schimpfte "Ich bring den Köter zurück!" (Spoiler: haben wir natürlich nicht ;-) )

 

Was uns zusätzlich fast wahnsinnig machte, waren nicht nur die Herausforderungen – sondern die Meinungen anderer.
Menschen, die uns kommentarlos beobachteten. Oder lautstark kommentierten.
„Mädel, du hast den Hund nicht im Griff!" "Du musst dem zeigen, wer der Boss ist",...


Jeder wusste es besser.
Jeder hatte eine andere Meinung.
Und wir? Wir waren oft komplett aus der Fassung.
Weil wir versuchten, alles richtig zu machen – und uns dabei oft völlig falsch fühlten.

Wir fühlten uns oft wie Versager.



Aber das war nur die eine Seite.

 

Die andere Seite war:


Ein Hund, der sich Mühe gab.
Der lernen wollte, wenn man ihn ließ.
Der Grenzen brauchte – aber noch mehr: Vertrauen.

 

Und ganz tief in ihm saß eine Angst, die wir erst nach und nach begreifen konnten:
Verlust.
Kein Wunder – schließlich war unser Zuhause bereits sein fünftes.
Wie sollte er wissen, dass er bleiben darf?
Dass wir nicht auch wieder verschwinden?

 

Nach etwa zwei Monaten fing ich wieder an, stundenweise im Reisebüro zu arbeiten. Joker konnte noch nicht alleine bleiben. Also kam er mit.


Er schlief im Auto – und fühlte sich dort erstaunlich wohl.
In der Tiefgarage hatte er Ruhe. Kein Stress, keine Überforderung.
Er durfte ankommen. In seinem Tempo.

  

Zweimal pro Woche gingen wir in die Hundeschule.
Dort lernte er, mit anderen Hunden zu toben – und wir lernten:
Geduld. Timing. Körpersprache.
Die Basics eben.

  

Aber für die echten Herausforderungen – seine Ängste, seine Eigenheiten, sein Misstrauen – suchten wir uns zusätzliche Unterstützung bei einer privaten Trainerin.
Nicht, weil wir versagt hatten.
Sondern weil wir verstanden hatten:
Wir müssen wachsen – zusammen.

 

Und dann, fast genau ein Jahr nach seinem Einzug, passierte etwas, das mir die Tränen in die Augen trieb:


Ich traf beim Gassigehen eine Bekannte.
Sie blieb stehen, sah Joker an – und fragte völlig erstaunt:
„Wow. Was habt ihr gemacht? Der ist ja kaum wiederzuerkennen!“

 

Und in diesem Moment sah ich ihn selbst – mit neuen Augen.
Das war der Moment, in dem wir wirklich begriffen, was wir gemeinsam geschafft hatten.

 

Dieses erste Jahr hat uns verändert.
Wir sind nicht nur Hundemenschen geworden.
Wir sind ein Team geworden.
Mit einem Clown auf vier Pfoten, der unser Leben jeden Tag ein bisschen bunter macht.




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